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Schema­therapie

Fallkonzeption

Durch Fragebögen (z.B. den Modusfragebogen, SMIr), durch klinische Beobachtung und z.T. auch durch diagnostisch eingesetzte Imaginationen wird zu Beginn der Behandlung für jeden Patienten sein individuelles Moduskonzept erstellt. Wie auf einer Landkarte sind in einer rechten Spalte seine primären Eltern-Modi und Kind-Modi, in einer linken Spalte seine Bewältigungsmodi aufgetragen (s. Abb. 3)

Abbildung Fallkonzeption

Abb. 3: Moduskonzept Laura T.

Therapeutische Techniken

In der Schema­therapie verwendeten Interventionen lassen sich in vier Klassen einteilen:

Kognitive Interventionen

In der Schema­therapie ist das Modell trans­parent und wird dem Patienten voll­ständig erläutert. Das individuelle Modus­konzept wird gemeinsam mit dem Patienten erarbeitet und der Therapieplan besprochen. Psycho­edukativ werden Informationen aus der Emotions­theorie, der Sozial­psychologie, Evolutions­lehre und Neuro­biologie gegeben. Wichtig sind (Sokratische) Schemadialoge bzw. kognitives Testen dysfunktionaler Bewältigungs­strategien, Pro- und Contra-Listen, Memo-Karten, Schematagebücher.

Behaviorale Interventionen

Der Schematherapeut arbeitet mit (Modus-) Verhaltens­analysen, dem gesamten verhaltens­therapeutischen Repertoire zur schrittweisen Änderung dysfunktionalen Verhaltens, Hausaufgaben (mit Verhaltens­analyse, falls sie nicht durchgeführt werden konnten).

Emotionsaktivierende Interventionen

Eine besondere Rolle der in der Schema­therapie spielen Imaginationen und Stuhlarbeit (Chairwork). Imaginationen werden als einerseits zur Schema-/​Modus­identifikation als auch im Sinne der „Imagery Reprocessing and Rescripting Therapy (IRRT)“ zur Schema-/​Modusveränderung benutzt.

Bei der Imagination versetzt sich der Patient mit geschlossenen Augen auf dem Weg über eine aktuelle, emotional aufgeladene Szene zurück in eine emotionsanaloge Kindheitsszene. In dieser, im Präsens und kognitiv/emotional/sensorisch detailliert berichteten Szene kann einerseits die Versagung von Grundbedürfnissen nacherlebt und damit die Herkunft der heutigen Emotion nachvollzogen, andererseits aber auch die Szene imaginativ verändert und im Sinne einer nachholenden Bedürfnisbefriedigung „umgeschrieben“ werden, woraus dem Patienten neue Freiheitsgrade für heutiges Handeln erwachsen.

Insbesondere verletzbare Kindanteile können in der Imagination aufgesucht und gegenüber dysfunktionalen Elternmodi in ihr Recht gesetzt werden.

In der sogenannten Stuhl­arbeit (Chairwork), die der Gestalttherapie entlehnt ist, werden Dialoge mit und zwischen einzelnen Modi hergestellt, wobei der Patient auf einem bestimmten Stuhl jeweils die Rolle eines Modus einnimmt und die anderen Stühle als Platzhalter weiterer Modi dienen.

Mit dieser Technik können besonders mal­adaptative Bewältigungsmodi und dys­funktionale Elternanteile, aber auch wütende Kindanteile adressiert werden. Gut eignet sie sich auch zur Integrationsleistung des „gesunden Erwachsenen“.

Es gibt zahlreiche weitere emotions­aktivierende Möglichkeiten: Mitbringen von alten Photos oder Kindheitsgegenständen, Aufsuchen von Kindheitsorten, alte Super-8 Filme oder Videos, etc.

Therapeutische Beziehung

Die therapeutischen Beziehung wird in der Schema­therapie besonders aktiv gestaltet und als therapeutisches Instrument eingesetzt. Unter der Leitfrage „Was brauchen die Kindanteile in dieser Situation?“ hat der Therapeut unterschiedliche Strategien vom Vorübergehenden Nachbeeltern (limited reparenting) bis zur Empathischen Konfrontation (empathic confrontation) zur Verfügung.

Unter der Technik der Modusgerechten Intervention wird der differenzierte Umgang mit unterschiedlichen Modi verstanden.

Den dysfunktionalen Bewältigungsmodi wird mit sehr viel Validierung, im Fall der überkompensatorischen Modi aber auch mit klarer Begrenzung (empathic confrontation) begegnet. Letzteres gilt auch für wütende Kindanteile und in noch deutlicherer Form (limit setting) in der Begegnung mit dysfunktionalen Elternmodi, denen gegenüber der Therapeut als entschiedener und schutzgebender Anwalt verletzter Kindanteile auftritt und die er in Imagination und Stuhlarbeit u.U. klar in ihre Schranken oder gar aus der Szene weist. In diesem Zusammen­hang ist es wichtig, um negativen therapeutischen Reaktionen seitens der Patienten vorzubeugen, darauf hinzuweisen, dass die Auseinandersetzung weniger mit den realen Eltern, als vielmehr mit den verinnerlichten Elternbildern geführt werden, die heute meist eine wesentlich grössere Macht über den Patienten haben.

Therapieablauf

Für die Borderline-Persönlichkeitsstörung, die Narzisstische PKS und die Cluster C-Persönlichkeitsstörungen liegen mittlerweile störungsorientierte Therapiekonzepte vor. Ansonsten ist die Schema­therapie aber eine störungsübergreifende Methode, bei der für Patienten mit unterschiedlichen Störungen individuelle Modus- und Fallkonzepte erstellt werden können.

Gewissermassen den Ariadnefaden der Therapie stellt die Suche nach dem verletzten (einsamen oder verlassenen) Kind dar. Bei der Narzisstischen PKS und den Cluster C-PKS sind u.U. zunächst erheblich ausgeprägte Barrieren aus Bewältigungsmodi zu überwinden (Stuhlarbeit!). Nach angemessenem Rescripting im oft mit erschreckenden Erinnerungen besetzten Zentrum des Labyrinths (s. Abb. 4) kann unter Beibehalten des Limited Reparenting der Weg in die Freiheit angetreten werden: Erkennen und Akzeptieren aller eigenen Anteile, integrative Stuhlarbeit sowie verstärkt kognitiv-verhaltensorientierte Interventionen (Memokarten, Exposition etc.) markieren den Weg zur kognitiven Kontrolle und zur integrativen Regieleistung des „gesunden Erwachsenen“.

Abbildung Labyrinth

Abb. 4: Die Suche nach dem verletzten Kind als Ariadnefaden der Therapie

Modi des Therapeuten

Auch die Reaktionsmuster von Therapeuten lassen sich im Modusmodell konzeptualisieren, ohne dass hierfür Konstrukte wie „Gegenübertragung“ oder „oszillierende Täter-Opfer-Dyaden“ bemüht werden müssen. In jedem Fall ist es wichtig, dass der Therapeut eine modusorientierte Selbsterfahrung gemacht hat.

Modus-Clash

Bestimmtes Patientenverhalten kann im Therapeuten die zeitgleiche Aktivierung konfligierender Modi auslösen. So kann beispielsweise das klagsame Fordern eines distanziert beschützenden Patientenmodus im Therapeuten einerseits einen fordernden Elternmodus mit dem beteiligten Schema Selbstaufopferung, andererseits einen eigenen distanzierten Beschützermodus auf den Plan rufen - etwa wenn der Therapeut in der Kindheit unter klagenden Eltern zu leiden hatte.

Modus-Eskalation

Auch kann z.B. das fordernd-vorwurfsvolle Verhalten (ärgerliches Kind) eines Patienten vom Therapeuten elternähnlich erlebt werden und in ihm einen ärgerlichen Beschützermodus oder einen ärgerlichen Kindmodus auslösen, welcher wiederum im Patienten einen strafenden Elternteil mit Selbsthassfolge aktiviert, die z.B. zur Selbstverletzung führt. Hierauf reagiert der (unerfahrene) Therapeut vielleicht mit verstärktem „Ärger“ (ärgerliches Kind oder ärgerlicher Beschützer) mit entsprechend Reaktion usw.

Modus-Induktion

In der Neuropsychologie der Theory of Mind wird zwischen der kognitiven Perspektivübernahme („ich kann mir denken, was du fühlst“- eigentliche ToM) und der vermutlich durch Spiegelneurone vermittelten Affektinduktion („ich fühle, was Du fühlst“- eigentliche Empathie) unterschieden. Das Phänomen der Affektinduktion erklärt nicht nur, warum wir im Kontakt mit einem traurigen Menschen Traurigkeit fühlen und warum Freude oder Angst ansteckend sein können, sondern auch, warum das ärgerliche oder wütende Gegenüber in uns unmittelbar Ärger und Wut induziert.

Zusammenfassung

Das an der kognitiven VT orientierte Schemamodell unterscheidet 18 kognitiv-emotionale Schemata, die aus der Frustration unterschiedlicher Grundbedürfnisse entstanden sind, mit den jeweils möglichen drei Bewältigungsformen Erduldung, Vermeidung oder Kompensation..

Das stärker emotionsfokussierte Modusmodell unterscheidet 14 – 16 emotional-kognitive Gesamtzustände, die je nach ihrer Herkunft und Funktion als Kind-, Eltern- oder Bewältigungsmodi aufgefasst werden.

Mit emotions­aktivierenden, kognitiv-behavioralen und beziehungsorientierten Interventionen wird im Moduskonzept versucht, die primären und frustrationsnahen Emotionen des vulnerablen Kindmodus aufzufinden, sie gegen kritische und strafende Selbstanteile zu stärken und zum akzeptierten Bestanteil einer erwachsenen Gesamtpersönlichkeit werden zu lassen.



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